BÜCHER, DIE DER WAHNSINN SCHRIEB

(Eine kurze Geschichte der WARLOCK‑Serie)

von Michael Breuer



"Vom Kauf kann nur abgeraten werden!"
(Zitat aus einer WARLOCK‑Rezension von Alfred Bekker)


1.

Es begab sich im Juni 1986, dass sich der allseits bekannte PHANTASTIK CLUB CLASSIC NELSON, damals noch SCIENCE FICTION GUY NELSON, entschloss, doch einmal eine Parodie auf die seinerzeit aktuellen Heftroman‑Serien auf den Markt zu werfen. Von der Planung bis zur endgültigen Fertigstellung vergingen nur wenige Wochen, sodass die Autoren ‑Ralf Zimmermann, Winfried Brand und Ralf Schuh ‑ schon bald voller Stolz dem Science‑Fiction‑Fandom, dem sie allesamt entstammten, den ersten Band von WARLOCK ‑ DER DEMONENZERSTORER präsentieren konnten.

Von den ob der etwas ungewöhnlichen literarischen Kost reichlich konsternierten SF-Fans in der Folgezeit vielgeschmäht, ließen sich die wackeren Herren jedoch nicht entmutigen, sondern begannen unter dem schönen Namen DWARF STORY PRODUCTION sofort mit der Planung weiterer Publikationen.

Ich selbst kam zum ersten Mal mit der Serie in Kontakt, als ich in einem SF‑Zine eine Rezension des ersten WARLOCK‑Bandes las. Diese einen Verriss zu nennen, wäre noch höflich gewesen und irgendwie machte mich das neugierig auf die Herausgeber. Der Umstand, dass diese ebenfalls in Köln beheimatet waren, und der außergewöhnlich niedrige Preis WARLOCKS waren es schließlich, die mich zu einer Bestellung veranlassten.

Das Heft gab es nämlich umsonst.



2.

Das erste WARLOCK‑Heft erstrahlte noch in schmucklosem Weiß. Über dem verschnörkelten Titelschriftzug wurde man von einer ‑ in eine Kutte gehüllte schwertschwingenden Gestalt angegrient, die aus STAR WARS entlehnt war.

Im Heft selbst befanden sich neben einem Vorwort der Redaktion und den obligatorischen Leserbriefen die ersten 3 Episoden des "amazing life of WARLOCK", welche die Titel WO DIE LEGENDEN BEGINNEN, DEMONEN AUS DEM ZWISCHENREICH und TROOPS OF TOMORROW trugen.

Bereits im ersten Heft wurde ein Faden aus früheren Storys Ralf Zimmermanns wieder aufgenommen. So handelt es sich bei dem Helden James C. Bristol um einen Grauen Ritter ‑ einen Kämpfer für den Erhalt des Kosmischen Gleichgewichts also eine Berufung, die er mit den Ralf‑Zimmermann‑Figuren Arman von Lemuria und Ken Kendall gemeinsam hat, deren Abenteuer bereits in VURGUZZ, dem Club-Fanzine des SCIENCE FICTION CLUB GUY NELSON, erschienen waren.

Das Konzept der Serie war zu diesem frühen Zeitpunkt jedoch noch nicht völlig ausgereift. Man schrieb ohne Exposés abgeschlossene Geschichten und das parodistische Element, welches später zum Markenzeichen WARLOCKS werden sollte, stand noch nicht so sehr im Vordergrund. So begriffen denn auch die meisten Kritiker WARLOCK prompt als ernstgemeinte Horror‑Serie.

Rund sechs Monate später und damit rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft erschien WARLOCK 2. Optisch hatte sich das Heft auf jeden Fall weiterentwickelt, das wurde jedem klar, der das tiefrote Heft in der Hand hielt. Das sehr schöne Titelbild stammte von Ralf Schuh, der die gesamte Serie grafisch betreute.

Die zweite Neuerung war, dass nur noch 2 Episoden pro Band veröffentlicht wurden ‑ dies unter anderem deshalb, weil Ralf Schuh zu dieser Zeit gerade seinen Wehrdienst ableistete und mit dem Posten des Chef‑Zeichners bereits genügend ausgelastet war.

Inhaltlich gab es mit der Erwähnung der sogenannten HOHLEN DES SCHRECKENS die ersten zarten Ansätze komplexerer Geschichten zu vermelden.

Als das Team voller Elan die Arbeiten an der dritten Ausgabe begann, wohnte ich schon seit einigen Monaten regelmäßig den freitäglich stattfindenden Redaktionstreffen bei. Zu jener Zeit hatte man bereits erkannt, das man mit dem bisherigen Konzept nicht auf Dauer weiterarbeiten konnte und grübelte über eine stärkere Verzahnung der Handlung nach. Das nun vierköpfige Team arbeitete letztendlich ein komplexes Rahmen-Exposé aus, welches die WARLOCK‑Bände 6 bis 12 abhandelte und nahtlos an die grob bis Band 5 reichende Vorplanung anschloss. Der sogenannte SCHATTENWELT‑Zyklus brachte stärker als je zuvor Science‑Fiction‑ und Fantasy-Elemente, aber auch Humor in die Handlung ein und bot neue Einblicke in die Kosmologie hinter der Serie.

Während man noch an diesem Konzept arbeitete, erschien Band 3 ‑ abermals ohne auf viel Gegenliebe bei den konservativen SF‑Hardlinern zu stoßen, die den Autoren gar allen Ernstes „sadomasochistische Sexualphantasien pubertärer Prägung“ (Zitat Alfred Bekker) unterstellten.

Das WARLOCK‑Team zeigte sich relativ unbeeindruckt ob solcher Stimmungsmache und schob sogleich die vierte Ausgabe hinterher.

Doch mit jenem Heft endete eine Ära.



3.

Bereits während der Produktion von WARLOCK 4 hatte sich gezeigt, dass Winfried Brand, der neben seiner Tätigkeit im Team, auch mit anderen Projekten beschäftigt war, über immer stärkeren Zeitmangel klagte. Das Band 5 alleine aus seiner Feder bestritten werden sollte, war der Sache auch nicht gerade förderlich. Es kam, wie es kommen musste: Winfried Brand legte seine Tätigkeit als WARLOCK‑Autor zu den Akten, was die verbliebene Redaktion vor nicht unerhebliche Probleme stellte, war Band 5 doch zu diesem Zeitpunkt noch ein bloßes Fragment.

Nach kurzen Diskussionen wurde die Geschichte schließlich von meiner Wenigkeit vollendet und erschien nur mit geringer Verzögerung.

Während das Fandom noch das Resultat dieser Co‑Produktion bewundern durfte, gingen hinter den Kulissen die Planungen für den groß angelegten SCHATTENWELT‑Zyklus weiter.

Im März 1989 schließlich erschien dann dessen erster Band: WARLOCK 6, der neben einer Episode von mir auch eine von Ralf Schuh enthielt, der endlich wieder einmal die Zeit zum Schreiben gefunden hatte. Dem Vorwort des Bandes ließ sich überdies gar erstaunliches entnehmen: Winfried Brand hatte seine übrigen Projekte eingemottet, um es dann doch wieder einmal mit WARLOCK zu versuchen.

Solcherart gestärkt arbeitete man weiter und ließ sich in Band 7 dazu hinreißen, die Serie auf einen 6‑wöchigen Erscheinungsrhythmus umzustellen, was zunächst aufgrund der präzisen Vorplanungen und der Tatsache, dass man mittlerweile auf computergestütztes Layout umgestellt hatte, auch recht gut zu klappen schien. WARLOCK 8 bis 11 erschienen jedenfalls pünktlich.

Band 10 stellte den ersten großen Jubiläumsband dar, für dessen Inhalt Winfried Brand verantwortlich zeichnete. WARLOCK 10 erschien mit einem umlaufenden vierfarbigen Titelbild und enthielt neben der diesmal besonders umfangreichen Story einen Sonderteil mit aufschlussreichen Details über die Entstehungsgeschichte der Serie.

Mit großen Schritten näherte man sich nun dem Ende des SCHATTENWELT‑Zyklus und während man das Fandom mit der mittlerweile elften WARLOCK‑Ausgabe beglückte, begannen hinter den Kulissen die ersten Arbeiten an einem Folge-Konzept.

Als im April 1990 schließlich mit einiger Verspätung WARLOCK 12, der erste Band des abschließenden Zweiteilers, erschien, lag bereits ein mehrseitiges Grob‑Exposé vor, laut dem James C. Bristol nach seinen SCHATTENWELT‑Abenteuern den durch Zeit und Raum verstreuten Einzelteilen eines sogenannten KOSMISCHEN SCHLÜSSELS nachjagen sollte. Dennoch wurden diese Ideen nicht weiter verfolgt, denn Winfried Brand und Ralf Schuh hatten zu dieser Zeit mit der Planung einer eigenen Science‑Fiction‑Serie begonnen: DUNKEY DE SILVER.

Ein Jahr dauerte es daher, bis der abschließende Band erschien und die SCHATTENWELT‑Handlung beendete. Durch den Wegfall von gleich 2 Autoren war damit jedoch auch das Ende der Serie gekommen, obwohl der Folgeband von Winfried Brand zu diesem Zeitpunkt bereits fast komplett vorlag. Schweren Herzens entschlossen sich die verbliebenen Mitarbeiter zur Einstellung von WARLOCK.

Die Abenteuer des besoffenen Raumschiff‑Mechanikers DUNKEY DE SILVER kamen ironischerweise nie über die zweite Ausgabe hinaus.



4.

Nach der Einstellung WARLOCKS wandten sich die Mitarbeiter anderen Projekten zu. Ralf Zimmermann konzentrierte sich ganz auf die Vorstandstätigkeit im PHANTASTIK CLUB GUY NELSON. Ich selbst veröffentlichte im Juni 1991 die erste Ausgabe des Lyrik‑ und Story‑Zines TÄNZER.

Erst 1993 fielen mir wieder die alten Exposé‑Notizen in die Finger und bei der Lektüre wurde mir klar, dass der zurückliegende SCHATTENWELT‑Zyklus doch eine Reihe von Fragen offengelassen hatte. So wurde nach Rücksprache mit dem alten Autoren‑Team grünes Licht für einen Abschlussband gegeben, der die Serie würdevoll ein für allemal beenden sollte. Die Arbeiten an WARLOCK 14 mit dem programmatischen Titel BRISTOLS HÖLLENFAHRT begannen.

Es sollte jedoch noch bis 1996 dauern, ehe das Heft das Licht der Welt erblickte. Aufgrund der Star‑Trek‑Lastigkeit des einstigen Phantastik Clubs kam es zu ersten Unmutsäußerungen innerhalb des Vorstands. Die sich aufheizende Atmosphäre eskalierte schließlich und es kam zur Spaltung in zwei separate Clubs. Während die Star‑Trek‑Fans nun in aller Ruhe ihrem Hobby frönen konnten und schon bald der Vergessenheit anheimfielen, begründete der kreative Teil der Mitglieder den PHANTASTIK CLUB CLASSIC NELSON, der künftig wieder alle Themenbereiche der Phantastik abdecken sollte.

Erst hier war das Klima günstig für ein neues Erscheinen WARLOCKS. Da seit der schicksalhaften Nr. 13 jedoch schon einige Zeit ins Land gezogen war, beschloss die ebenfalls reformierte DWARF STORY PRODUCTION ‑ nun bestehend aus Ralf Zimmermann, meiner Person und dem neu hinzugestoßenen Stefan Eischet ‑ das Fandom zunächst einmal mit einem Story Reader zu beglücken, der neben verschiedenen Kurzgeschichten aus dem WARLOCK‑Universum auch einen ausführlichen Rückblick auf die Geschichte der Serie enthielt. Dieser erschien im April 1995.

Im Februar 1996 erblickte dann endgültig WARLOCK 14: BRISTOLS HOLLENFAHRT das Licht der Welt und brachte die Serie zu einem würdevollen Abschluss.

Las man sich das Vorwort des Hefts durch, wurde einem jedoch schnell klar, dass mit dem Ende von WARLOCK mitnichten das Ende der Abenteuer James C. Bristols herannahte.

Dort fand sich nämlich die Ankündigung einer brandneuen Serie.

Diese trug den Titel BRISTOL ‑ THE DEMONDESTROYER.



© 11/2002, Mike Breuer